Ernährungsbedürfnisse und Gewichtsregulation im Kinder- und Jugendtraining

(Aus "Sport Journal", Zeitschrift des Landessportverbandes Baden-Württemberg)

Zur medizinischen und physiologischen Betreuung der Kinder und Jugendlichen im heutigen Nachwuchsleistungssport gehört ebenfalls eine der Kindesentwicklung (Wachstum), der Alltagsbelastung (Schule, berufliche Ausbildung) und der Trainingsbelastung angepaßte Ernährungszusammenstellung. Besonders im Zusammenhang mit den sportlichen Belastungen ist dies eine ernstzunehmende Aufgabe zur Beeinflussung einer guten Gesundheit sowie zur Stabilisierung und Leistungssteigerung im Sport. Eine Nährstoffunterversorgung beim sportlichen Kind führt sehr schnell zu mentalen und körperlichen Ausfallerscheinungen. Diese spiegeln sich dann in nachlassender Konzentration und Leistung in Schule und Sport wieder und äußern sich in der Schwächung der Immunabwehr und häufigen Erkrankungen.

Von Dr. Joachim Jost

Kinder und Jugendliche haben gerade in Wachstumsphasen einen ganz besonders hohen Bedarf an Nährstoffen und Nahrungsenergie, der in bezug auf die Körpergröße sogar wesentlich höher liegt als beim Erwachsenen. Schon im Alter von 5-7 Jahren benötigen Kinder mit etwa 1600-1800 kcal pro Tag fast die gleiche Nahrungsenergie wie eine nur leicht körperlich tätige, erwachsene Frau. In besonderen Wachstumsetappen verdoppelt sich dieser Bedarf. Kommt dann noch sportliches Training hinzu, nimmt der tägliche Nährstoffbedarf je nach Trainingsform und Trainingsdauer weiter zu. Die Konsequenz muß eine ganz besonders vollwertige Ernährung sein, um die volle geistige und körperliche Enkvicklung der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten.

Allgemeine Prinzipien und Basiskost

Die Ernährungs-Richtlinien für Erwachsene sollten nicht auf Kinder übertragen werden. Während Erwachsene meist Kalorien sparen, brauchen Kinder eine konzentrierte Kost mit vielen Nährstoffen und Kalorien. Auch die Sporternährung der Erwachsenen mit extrem kohlenhydratreicher und fettarmer Kost sollte bei Kindern noch keine Anwendung finden. Kinder brauchen auch keine Präparate, sondern sollten eine abwechslungsreiche, vollwertige Mischkost (Basiskost) von den Eltern angeboten bekommen und sich dabei ein gesundes Eßverha ten angewöhnen. ,,Fast food" (Hamburger, Pommes frites, Chips) oder Dosenprodukte sollten gestrichen werden. Beliebte Süßigkeiten mit hohem Zucker- und Fettanteil sollten auf ein geringes verträgliches Maß reduziert und durch Vollkomgebäck, Trockenfrüchte oder frisches Obst ersetzt werden. Diese Nahrungsmittel stellen zugleich eine gute Möglichkeit für Zwischenmahlzeiten dar und sind zusammen mit einem hochwertigen Frühstück (Müsli, Milch, Vollkornbrötchen mit Honig, Ei) gerade für eine gute Konzentrationsleistung in Schule und Beruf wichtig.

Kinder müssen zudem viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Sie sollten jedoch schon im Kindesalter süße Limonaden meiden und lieber Fruchtsäfte, Mineralwasser oder Früchtetees trinken. Ein ideales und sehr wertvolles Lebensmittel für Kinder ist Milch. Schon 1 Liter Milch versorgt den Körper mit einem Großteil der wichtigsten Nährstoffe (Eiweiß, Vitamine, Kalium, Calcium, Magnesium) für den Heranwachsenden.

Beim Mittag- und Abendessen muß nicht immer Fleisch im Mittelpunkt stehen, sondern eher stärke haltige Nahrungsmittel (Kartoffeln, Nudeln, Reisprodukte) sowie frisches Gemüse und Obst oder Salat. Fisch, Quarkspeisen und Eigerichte sollten mit dem Fleisch desöfteren abwechseln.

Ernährung bei erhöhtem Training

Die tägliche Energiezufuhr der kleinen Sportler muß beim Training den zusätzlichen sportartspezifischen Trainingsanforderungen angepaßt werden. So werden z.B. abhängig von der Intensität bei 1 Stunde Laufen 800-1300 kcal sowie bei 1 Stunde Skilanglauf 1000-1500 kcal verbraucht. 1 Stunde intensives Ringen führt zu einem zusätzlichen Energiebedarf von 800-1000 kcal.

Das Verhältnis der Nährstoffe zueinander muß dem charakteristischen Bedarf der Sportart bzw. Disziplin entsprechen. Je höher die Ausdauerbelastung in einer Sportart ist, um so höher ist der Bedarf an Kohlenhydraten; je stärker die Komponente Kraft ist, um so größer wird der Bedarf an Eiweiß im
Speiseplan. Für die Schnellkraftausdauer-Sportarten (z.B. Ringen und Boxen) bedeutet dies, daß der jeweilige Anteil des Kraft-/Schnellkrafttrainings bzw. des Ausdauertrainings am Gesamttraining die Relation der einzelnen Nährstoffe (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße) zueinander beeinflußt.

In Konditions-Trainingphasen, in denen Ausdauen und Krafttraining miteinander kombiniert werden (z.B. Vorbereitungsphase), sollte die Betonung auf kohlenhydratreicher Kost mit parallel hohem Eiweißanteil liegen. Dazu ist jedoch eine deutliche Reduktion des Fettanteiles an der Nahrung nötig.

Ernährung in der Vorwettkampf- und Wettkampfphase

Aufgrund des in den meisten Sportarten mit Ausdauerkomponente hohen Anteiles an Kohlenhydratverbrennung während des Wettkampfes spielt in der Vorwettkampfphase und auch am Wettkampftag eine kohlenhydratreiche Kost eine sehr große Rolle. Nur dadurch können die Glykogenspeicher (Kohlenhydrat-Energiespeicher) für den Wettkampf maximal gefüllt werden und liefern dann ausreichend Energie für eine hohe Konzentrations Reaktions- und Ausdauerleistung. Reis-, Nudel- oder Kartoffelpartys am Vortag des Wettkampfs sind gerade beim Kind und Jugendlichen akzeptiert und liefern sportlich gesehen die richtigen Nährstoffe.

Eine letzte kohlenhydrat- und auch eiweißreiche Mahlzeit (zur Förderung der Konzentnationsleistung) sollte ca. 3-4 Stunden vor Beginn des Wettkampfes eingenommen werden. Diese Mahlzeit sollte zudem ballaststoff- sowie fettarm sein und gut gekaut verzehrt werden. 30-45 Minuten vor Wett kampfbeginn sollte auch noch etwas Flüssigkeit (Tee, Apfelschorle, Elektrolytgetränk) aufgenommen werden (0,2-0,4 Liter).

In den Erholungspausen am Wettkampftag sollten ebenfalls kleine kohlenhydratreiche Snacks wie Bananen, Früchteriegel, Trockenfrüchte, Butterkekse oder Energiebarren zwischendurch gegessen werden. Auch das Trinken von Mineralwasser (magnesiumreich, kohlensäurearm) oder von Mineraldrinks ist sehr wichtig.

Unmittelbar nach Beendigung des Wettkampfes empfiehlt es sich, leicht verdauliche Speisen und Getränke, reich an Kohlenhydraten, Kalium sowie Magnesium zu sich zu nehmen (z.B. Aprikosen, Bananen, Äpfel, Gemüse und entsprechende Getränke wie z.B. Apfelschorle). Später kann sich eine kindgerechte Mahlzeit (z.B. Nudelgericht) anschließen.

Gewichtsregulation beim jugendlichen Sportler

Wegen der schon erwähnten Notwendigkeit an besonderer Nährstoffzufuhr und -qualität in den Wachstumsphasen ist das in Kampfsportarten und kompositorischen Sportarten (Tumen, Rhythmische Sportgymnastik) übliche ,,Gewichtmachen" aus medizinischer Sicht im Kindes- und Jugendalter strengstens abzulehnen. Um den sportlichen Anforderungen aus physiologischer Sicht gerecht zu werden, muß der wachsende und gleichzeitig trainierende Organismus deutlich mehr Energie aufnehmen als für die Wachstumsbedürfnisse allein. Eine Einschränkung der Nährstoffzufuhr mit dem Ziel der Gewichtsabnahme ist beim jugendlichen Sportler deshalb nicht sinnvoll, da es ansonsten nicht nur zur Beeinflussung der Leistungsfähigkeit, sondern gleichzeitig auch zur Gefährdung der Gesundheit kommt. Die zudem mit dem Gewichtmachen einhergehende Einschränkung der Flüssigkeitsaufnahme (,,Abkochen") ist bei Kindern und jugendlichen ebenfalls strikt abzulehnen. Negative Folgeerscheinungen des Wasserentzugs, wie z.B. eine Verschlechterung der Muskeldurchblutung und Herzarbeit sowie eine Beeinträchtigung der Nerven- und Muskelerregbarkeit sind schon beim Erwachsenen aus medizinischer Sicht nicht vertretbar und somit erst recht nicht beim wachsenden Organismus. Viel sinnvoller erscheint es stattdessen, jugendliche Sportler durch eine gezielte Ernährungsinformation parallel zu ihrem Training auf die Bedürfnisse des späteren Hochleistungstrainings vorzubereiten.

Dr Joachim Jost ist Leistungsphysiologe am Olympiastätzpunkt Rhein-Neckar

 

 


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