Lehrprobe für Trainer B in Tailfingen

Thema:

Erarbeiten Sie Schwimmkombinationen für die Vervollkommnung der Kraultechnik

Jochen Beckert, SG Neckar/Enz, 19.10.1995

Das Kraulschwimmen kann in drei Bewegungszyklen unterteilt werden, den Beinschlag, die Unterwasserphase, gegliedert in Zugphase und Druckphase, und die Schwung- oder Rückholphase. Die Atmung erfolgt in Einklang mit dem Bewegungsrhythmus der Gesamt-bewegung.

Der Beinschlag:
Der Beinschlag stellt eine Bewegung dar, bei dem der Körper, aufgrund seines Körperschwer- punktes fast parallel zur Wasseroberfläche liegt und die Beinbewegung aus der Hüfte beginnt. Der Oberschenkel bewegt sich dabei leicht abwärts. Durch den Wasserwiderstand am Schienbein kommt es zu einer Beugung im Kniegelenk. Durch die schnell auszuführende Streckung des Beines, dem sogenannten Peitschenschlag, wird der Umkehrpunkt des Beinschlages erreicht. Die Fußspitzen sind dabei leicht nach innen gedreht, die Füße jedoch locker gestreckt gehalten. Mit der Streckung des Beines beginnt gleichzeitig die Aufwärtsbewegung des gestreckten Beines bis zur Wasseroberfläche. Die Beinbewegung beginnt von vorn. Beim Beinschlag wird das Wasser verdrängt. Beim nach unten geführten Bein hauptsächlich mit dem Fußrücken und beim aufwärtsgeführten Bein mit der Fußsohle.

Die Unterwasserphase:
Die Unterwasserphase kann in zwei aufeinander aufgebaute Techniken erlernt werden. Im Anfängerbereich wird man zuerst mit der im Arm gebeugten Unterwasserphase beginnen. Diese Art der Unterwasserphase verläuft nahezu parallel zur Körperlängsachse. Sie beginnt mit einer leichten Aus-Einwärtsdrehung nach unten hinten, während der Arm sich zunehmend im Ellenbogen beugt und seine größte Neigung ( ungefähr rechter Winkel ) in Schulterhöhe erreicht. Mit dem Punkt des größten Wasserwiderstandes ist die Zugphase des Armzuges beendet und geht in die Druckphase über. Hierbei wird die Hand nach hinten in Richtung Füße bewegt und bis zum Oberschenkel gestreckt, wo durch das herausnehmen der Arme aus dem Wasser die Schwungphase eingeleitet wird.

Der S-Zug baut auf der im Arm gebeugten Unterwasserphase auf. Die S-förmige Bewegung in der Unterwasserphase führt zu einem längeren antriebswirkenden Weg in Zug- und Druck-phase. Man bewegt sich durch das Verdrängen des Wassers zur Seite nach vorne. Die Zugphase beginnt mit einer auswärtsgerichteten Dreh-Kipp-Beugebewegung der Hand um einer Sogwirkung an der Hand auszuweichen, dem sogenannten Wasserfassen. Diese Beuge-bewegung wird in eine Abwärts-Einwärts-Rückwärts- Bewegung der Hand übergeleitet, so daß in Höhe der Schulterachse die größte Armbeugung von ca. 90 Grad erreicht werden soll. Die Einwärtsbewegung wird hierbei auf der Höhe der Körperlängsachse beendet und Hand, Ellenbogen und Schulter bilden ein rechtwinkliges Dreieck. In der anschließenden Druckphase wird der Arm zum Oberschenkel hin fast gestreckt und der Ellenbogen leitet die Rückholphase ein. Die Druckphase sollte zu einem wegen des größeren Abdruckes beschleunigt werden und zum anderen um eine bessere Einleitung der Rückholphase zu gewähren.

Die Rückholphase:
Die Rückholphase beginnt wie die Atmung mit dem Ende der Druckphase. Durch das Heraus-heben der Ellenbogen, das heißt die Arme werden durch das Herausheben der Ellenbogen aus dem Wasser genommen, soll eine schmale, in Richtung der Körperlängsachse gerichtete Vor-wärtsbewegung gewährleistet werden. Man kann sich die Bewegung vorstellen als ob man ein Taschentuch aus der Hosentasche zieht. Die Arme schwingen locker und entspannt im Ellenbogen gebeugt nach vorn, wobei die Ellenbogen den höchsten Punkt des Armes bilden. Die Fingerspitzen tauchen zuerst ins Wasser ein. Zum Ende der Schwungphase wird der Arm im Wasser aus den Schultern nach vorn in Richtung der Körperlängsachse gestreckt

Die Atmung:
Das Einatmen soll dann erfolgen, wenn die Hand das Wasser verläßt und wieder nach vorne geholt wird. Der Atemrhythmus sollte, wie oben in der Einleitung schon gesagt, mit dem Be- wegungsrhythmus übereinstimmen. Bei der Atmung liegt das Gesicht unter der normalen Wasserlinie in der Bugwelle. Der Kopf darf also nicht angehoben werden. Während des gesamten Atemvorganges soll vor allem darauf geachtet werden, daß versucht wird die Schulter und Hüfte möglichst ruhig im / auf dem Wasser liegen zu lassen. Die Atmung hat aber nicht nur einen schwimmtechnischen Hintergrund sondern ist, insbesondere bei längeren Strecken auch ein taktisches Instrument.

Die Atmung setz ich auf Grund der Aufgabenstellung voraus, obwohl mir durchaus bewußt ist, daß auch die Atmung bei der Vervollkommnung der Kraultechnik ein entscheidender Faktor sein kann.

Gehen wir also in folgender Übungsstunde von einer Gruppe jugendlicher Schwimmer im Alter von neun bis elf Jahren aus, die die 100m Freistil mit 3er Zug zwischen 1:20min und 1:30min schwimmen. Die Jugendlichen trainieren drei mal die Woche eineinhalb Stunden. Die Kraul- atmung ist dem Alter und Leistungsstandart entsprechend und stellt sich nur als individuelles Problem einiger weniger und ist daher als Technikaufgaben für die Allgemeinheit bis auf weiteres zu vernachlässigen. Der S-.Zug wird in der Grobform beherrscht. Das Training findet auf einer 25 m Bahn statt.

Die zwanzigminütige Technikschulung beginnt im Anschluß an das Einschwimmen. Die Schwimmerinnen und Schwimmer sind zu diesem Zeitpunkt am besten in der Lage sich auf die gestellten Aufgaben zu konzentrieren und anschließend umzusetzen. Ein weiterer Vorteil die Technikschulung am Anfang des Trainings zu machen ist, daß in der verbleibenden Trainings- zeit auf die gemachten Bewegungserfahrungen bei Stillkorrekturen zurückgegriffen werden kann.
Ich beginne die Technikschulung mit mehren Übungen zur Verbesserung des Wassergefühls und der Koordination. Bevor ich aber mit den spezifischen Übungen für das Kraulschwimmen beginne, lasse ich meine Trainingsgruppe Technikkombinationen schwimmen.

- Wir beginnen mit einer Bahnen Brust-Armzug mit Delphin-Beinschlag sowie einer Bahn mit Kraul-Beinschlag.
- Anschließend folgt eine Bahn Delphin-Armzug mit Kraul-Beinschlag und eine mit Brust- Beinschlag.
- Zum Abschluß schwimmen wir zwei Bahne Kraul-Armzug mit Delphin- bzw. Brust- Beinschlag.

Das spezifische Techniktraining beginne ich mit der Verbesserung des Wassergefühls für den Kraul-Armzug.

1.) Aufgabe: Vier Bahnen Kraul. Erste Bahn mit gestreckten Armen/dritte Bahn mit eng am Körper ziehenden Armen während der Unterwasserphase, Bahnen zwei und vier wie oben in der Technikbeschreibung beim S-Zug.
Ziel: Verschiedene Abdrucksarten spüren/ Kontrastschwimmen.
Korrektur: Traineranweisungen kontrollieren.

2.) Aufgabe: Zwei Bahnen Kraul mit Fäusten, der Beinschlag ist zur Stabilisierung der Wasserlage verstärkt, auf das Armdreieck am Ende der Zugphase zu achten.
Ziel: Abdruck am Unterarm zu spüren.
Fehler: Ellenbogen bleibt nicht stehen, d.h. Unterarm zieht zuerst.
Folge: geringer Antrieb
Korrektur: ziehe zuerst mit Hand und Unterarm, evt. versuchen die Bewegung über die gebeugte Unterwasserphase in Erinnerung rufen bzw. üben.

3.) Aufgabe: Zwei Bahnen Kraul wobei auf der ersten Bahn links und auf der Zweiten rechts eine Faust zu machen sind.
Ausführungsanweisungen, Ziel, Fehler, Folge und Korrektur wie oben.

4.) Aufgabe: Zwei Bahnen Kraul wobei bei der ersten Bahn über Wasser (Rückholphase) und auf der zweiten Bahn unter Wasser (Unterwasserphase) eine Faust zu machen ist.
Ziel: Koordination
Korrektur: Auf genau Befolgung der Anweisung achten.

Anschließend leite ich auf den S-Zug über, auf den in den vorherigen Übungen ja bereits vorbereitet wurde. Zu folgenden Übungen werden jeweils zwei Bahnen geschwommen. Im Anschluß an jede Übung erfolgt die Fehlerkorrektur sowie das abermalige Üben.

1.) Aufgabe: Üben der Dreh-Kipp-Bewegung (vgl. Definition)
Ziel: optimales Wasserfassen um bestmöglichen Vorschub zu erreichen.
Fehler: zu weitgeführtes bzw. enggeführtes Wasserfassen der Hand falsche Handstellung
Korrektur: - Vormachen - Übung im Stehen im Wasser - Kerze im tiefen Wasser, enge Kreisbewegung der Arme

2.) Aufgabe: S-Zug weit über die Körperlängsachse / auf der Körperlängsachse
Fehler: - Hand geht über Körpermitte
- falsche Ausformung des " S "
- Ellenbogen zieht zuerst
Folgen: - starkes Rollen und Schlenkern
- Zickzack-Schwimmen
- geringer Antrieb
Korrektur: - korrigiere die Bewegung im Gehen im hüfttiefen Wasser
- Bewegung gegen Widerstand ziehen
- ziehe zuerst mit Unterarm

3.) Aufgabe: schnelle Druckphase / langsame Druckphase
Ziel: größerer Abdruck, da Wasser in Druckphase eine Fließgeschwindigkeit hat
Fehler: unkorrektes Ausführen
Korrektur: Hinweis auf korrekte Ausführung, Übung wiederholen

4.) Aufgabe: Beschleunigung der Zugphase
Ziel: Saubere Bewegung auch unter erhöhtem Kraftaufwand, vgl. Wettkampf Beschleunigung spüren
Fehler: Dreh-Kipp-Bewegung zu weit ausgreifend oder nicht vorhanden Ellenbogen-Schulter-Hand bilden kein rechtwinkliges Dreieck
Korrektur: Auf Fehler hinweisen Notfalls auf eine der oben genannten Übungen zurückgehen.

Dies Übungen können mit den zur Koordination der Arme je nach Leistungsstand der Gruppe integriert werden:

1.) Aufgabe: Einer- / Doppelabschlag: Am Ende eines Armkreises berühren sich die Hände, damit beginnt der andere Arm seine Tätigkeit.

2.) Aufgabe: Abschlagschwimmen aufgelöst: Auf einer Bahn von Einer-Abschlag zum Mühlkreisen mit fließendem Übergang.
Fehler: - Hände sind immer gleich weit von einander entfernt ( Windmühlentechnik).
- Catch-up-Technik, hierbei holt ein Arm den anderen am Ende der Rückholphase beinahe ein.
Folgen: - Unruhige Schwimmlage bei der Windmühlentechnik
- Zu langes Gleiten bei der Catch-up-Methode
Korrektur: - Die Bewegung der Arme sind so zueinander abgestimmt, daß mit Ende der des Einatmens und mit Beginn der Rückholphase der Gegenarm mit dem Wasserfassen beginnt. Diese Technik bewirkt eine ruhige und stabile Wasser- lage und zugleich einen fortlaufenden Antrieb durch die Arme bei einer hohen Stellung des Körpers im Wasser.

Dies gilt ebenso für die folgenden Übungen der Rückholphase.

1.) Aufgabe: Hoher Ellenbogen
Ziel: entspannte, der Körperlängsachse verlaufende Rückholphase um starkes Rollen oder Schlenkern zu vermeiden.
Fehler: Arme werden seitlich nach vorne gebracht.
Folgen: Schlenkern und starkes Rollen.
Korrektur: Mit dem Daumen die Achselhöhe antippen.
Variationen: - Mit Daumen den gesamten Körper entlang (Reisverschluß)
- Am höchsten Punkt des Ellenbogens einen Kreis mit dem abgewinkelten Unterarm. Wichtig ist das der Unterarm entspannt bleibt.
- Hoher Ellenbogen, dann Hand überm Rücken ins Wasser tippen, hoher Ellenbogen und lang nach vorne.

Besonders mit den Übungen zur Koordination der Arme lassen sich gut mit Beinschlags-variationen verbinden.

So kann man z.B. um verschiedene Schwimmrythmen einzubauen, den Beinschlag von Bahn zu Bahn verändern. Die erste Bahn wird Kraul mit einem 6er Beinschlag geschwommen, während auf der zweiten Bahn ein 1er Beinschlag geschwommen werden soll, der auf den Bahnen drei und vier in einen 2er Beinschlag übergeht.

Eine Gesamtkombination aller Freistilelemente könnte dann Kraul Einer-Abschlag sein, bei dem die Druckphase beschleunigt werden soll, mit Hohem Ellenbogen zu schwimmen ist und vorn, wenn die Arme zusammen sind, eine Streckung aus den Schultern unter verstärktem Einsatz der Beine.

Im Anschluß an die Kraul-Technik lasse ich als Übergang zum Hauptteil des Trainings eine längere Freistilstrecke locker schwimmen um die geübten Bewegungen einzuschleifen.

Zur Effektivierung der Technikschulung ist ein Fehlerkatalog (siehe Anhang) für jeden einzelnen Athleten sowie für eine ganze Gruppe, durch Auswertung der Einzelkataloge, zu empfehlen, da man dadurch ein kontinuierliches Meßinstrument in den Händen hat und sich durch Vergleiche Fortschritte oder Rückschritte erkennen lassen.
Wichtig finde ich auch das man nicht versucht den Schwimmern einen Einheitsstill aufzu- zwingen. Unterscheiden sich die Langstreckler doch auch wesentlich von den Sprintern.
Während die Langstreckler sich in der Zugphase eines kleineren Anstellwinkels des Ellenbogens bedienen, ziehen die Sprinter dagegen über einen um so größeren Anstellwinkel um den Unterwasserwiderstand zu erhöhen.


Jochen Beckert

Fehlerkatalog Freistil:

Wasserlage:

Kopf zu hoch

Kopf zu tief

zu starke Rollbewegung

zu schwache Rollbewegung

seitliches Ausbrechen der Hüfte

Zug/Druckphase:

Arm bei Beginn nicht gestreckt

Wasserfassen zu früh

Wasserfassen zu spät

Zug mit gestreckem Arm

Zug mit zu stark abgewinkelten Arm

Zugbahn geradlinig

Rückholphase:

Kein hoher Ellenbogen

Hände zu weit auswärts

Eintauchpunkt zu weit vorne

Eintauchpunkt zu nahe am Kopf

Catch-up-Technik

Windmühlentechnik

Beinbewegung:

Pendelbewegung nach rechts und links

Kniegelenk zu steif/stark abgewinkelt

Fußgelenke zu steif

Beinbewegung zu flach/tief

Beinschlag zu schwach

Beinschlag erfolgt unregelmäßig

Atmung:

Einatmung zu früh/spät

Kopf/Schulter werden zu weit seitlich gedreht

Kein vollständiges Ausatmen unter Wasser

Atmung unregelmäßig

Wende:

Einleitung erfolgt zu früh/spät

Drehung um Querachse zu langsam

Abstoß nicht in Seitenlage

Abstoß zu tief/flach

Beinbewegung nach Abstoß zu gering/zu spät

Atmung direkt beim ersten Zug


Literaturverzeichnis:

1.) Werner Freitag: " Schwimmen" - Training-Technik-Taktik
2.) Werner Freitag: " Spezielle Schwimmausbildung: Wettkampfschwimmen"
3.) Kurt Wilke und Orjan Madsen: " Das Training des jugendlichen Schwimmers"
4.) Unterlagen vom Übungsleiter- sowie B-Trainer-Lehrgängen in Tailfingen

 

 


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